Bei der Bewirtschaftung von Wäldern kommt es immer wieder zu Zielkonflikten, weil Wälder viele verschiedene Funktionen erfüllen, die aufeinander abzustimmen sind. Diese reichen von der Erhaltung der biologischen Vielfalt über die Holzproduktion, die Wasser- und Bodenfunktionen bis hin zu Erholungsleistungen. Wie Waldnaturschutz in Landeswäldern praktiziert wird, welche Faktoren dabei zu beachten sind und wie er wirksamer umgesetzt werden kann, haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in einer Studie über den Waldnaturschutz in Landeswäldern untersucht. Die Ergebnisse dieses Forschungs- und Entwicklungsvorhabens wurden jetzt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), der Nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) und dem European Forest Institute (EFI) veröffentlicht.
Fast ein Drittel des deutschen Waldes befindet sich im Besitz der Bundesländer und wird von Landesforstbetrieben bewirtschaftet. Die jetzt vorliegende Studie zeigt, welchen besonderen Stellenwert der Naturschutz in diesen Landesforstbetrieben hat, aber auch welche Entwicklungspotenziale und strategischen Herausforderungen sowohl innerhalb der Organisation der Betriebe, als auch bei der operativen Umsetzung von Naturschutzzielen vor Ort weiterhin bestehen. Anlass für das Vorhaben gab die Beobachtung, dass Naturschutzkonzepte im Landeswald und deren Umsetzung sehr unterschiedlich ausgeprägt und häufig Gegenstand kontroverser Auseinandersetzungen sind.
„Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung dieser Diskussion über die Umsetzung von Naturschutzzielen in den Landeswäldern“, betont BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. „Der Naturschutz im Wald hat in den letzten Jahrzehnten in den Landeswäldern an Bedeutung gewonnen. Mit dem Bundesnaturschutzgesetz, dem Schutzgebietsnetz Natura 2000 und der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt existieren differenzierte Ziele für den Naturschutz in öffentlichen Wäldern. Nicht immer kommen diese jedoch auf der Fläche an und der Erfolg ihrer Umsetzung entzieht sich häufig einer Bewertung. Die Untersuchung zeigt auf einer breiten Datengrundlage, wie der Naturschutz in den Landesbetrieben gesteuert und umgesetzt wird und welche Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Nun sind Politik und Verwaltungen gefordert, die konkreten Handlungsempfehlungen umzusetzen.“ Zu den zentralen Empfehlungen gehören etwa die Schaffung eines transparenten Monitoringsystems, die Klärung von Zielkonflikten und eine faktenbasierte Kommunikation mit der Bevölkerung.
Mehr als 300 forstliche Praktikerinnen und Praktiker haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den beteiligten Landesforstbetrieben befragt und über 120 naturschutzrelevante Konzepte analysiert. „Aus den Befragungen ergibt sich, dass einerseits eine hohe Motivation bei den forstlichen Praktikern vorhanden ist, Naturschutzaspekte als wesentliche Bestandteile bei der Bewirtschaftung zu berücksichtigen, andererseits aber weiterhin Zielkonflikte zwischen Naturschutz und Holzproduktion oder anderen Waldfunktionen bestehen“, sagt Prof. Dr. Georg Winkel vom European Forest Institute.
„Es ist daher wichtig, Naturschutzziele auch quantitativ zu konkretisieren, besser mit anderen Teilzielen abzustimmen und die Zielerreichungsgrade periodisch mit Hilfe geeigneter Indikatoren und effizientem Monitoring zu überprüfen“, ergänzt Prof. Dr. Hermann Spellmann von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt. „So lassen sich die Wirksamkeit von Waldnaturschutzmaßnahmen belastbar überprüfen, die Leistungen der Landesforstbetriebe im Bereich Waldnaturschutz transparent aufzeigen und die innerbetriebliche, aber vor allem auch die Kommunikation nach außen weiter verbessern“, betont Dr. Peter Meyer von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt.
Die rechtlichen Anforderungen für eine Beachtung des Naturschutzes in Landeswäldern wurden von Prof. Dr. Eckard Rehbinder, Emeritus an der Goethe-Universität Frankfurt ausführlich beleuchtet. Der Jurist kommt zu dem Ergebnis, „dass noch Regelungsbedarf zur stärkeren Berücksichtigung des Waldnaturschutzes im Rahmen der besonderen Gemeinwohlverpflichtung des Landeswaldes besteht."
Hintergrund:
BfN-Skript 542 „Naturschutz im Landeswald – Konzepte, Umsetzung und Perspektiven“ fasst die Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsvorhabens zusammen, das im Rahmen eines vom BfN mit Mitteln des BMU geförderten Forschungsverbundes der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und der Goethe-Universität Frankfurt mit Beteiligung des European Forest Institute in Bonn unter Leitung von Prof. Georg Winkel und Prof. Hermann Spellmann in enger Kooperation mit den Landesforstbetrieben und -verwaltungen der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig Holstein erarbeitet wurde.
Ihre Kernergebnisse haben die Autorinnen und Autoren in Schlussfolgerungen zusammengefasst und daraus, soweit möglich, Handlungsempfehlungen für die Politik und die forst- und naturschutzfachliche Praxis abgeleitet. Dazu gehören unter anderem die folgenden Empfehlungen:
-Motivation, Kenntnisse und Handlungsspielräume des praktisch handelnden Forstpersonals bei der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen im Landeswald sollten stärker genutzt und weiter entwickelt werden.
-Ein effektives Monitoringsystem zum Themenkomplex Naturschutz im Wald sollte entwickelt und umgesetzt werden.
-Die betrieblichen Ziele, Ressourcen und Abläufe sollten zur effizienteren Erreichung von Naturschutzzielen besser und transparenter aufeinander abgestimmt werden.
-Öffentliche Forstbetriebe erbringen im Rahmen ihrer Konzepte erhebliche Leistungen für den Naturschutz. Diese Leistungen sollten als eine Kernaufgabe verstanden und gegenüber der Gesellschaft aktiver vertreten werden.
-Die Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung im öffentlichen Wald sollte als wesentliche Möglichkeit genutzt werden, Verständnis für betriebliches Handeln zu erreichen und Belange der Bürger mit in die Bewirtschaftung zu integrieren.
Bezug:
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