Eigentlich geht es bei dem Begriff um die Gesellschaft, um Regeln für das Zusammenleben, aber natürlich sagt man auch „sozial“ im Sinne von gemeinnützig, hilfsbereit oder barmherzig. Noch schwieriger ist das mit dem Begriff gerecht. Eine Anwältin hat mal zu mir gesagt: „Gerechtigkeit kann ich ihnen nicht geben, aber ein Urteil kann ich ihnen verschaffen.“
Was ist überhaupt gerecht? Was empfindet man gerecht oder ungerecht.
Was empfindet man als fair? Auch dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. So viele Familien sind schon durch Erbstreitigkeiten zerbrochen. Wie schwierig muss es dann erst sein, innerhalb einer größeren Gemeinschaft, innerhalb eines Landes oder global gesehen für Gerechtigkeit zu sorgen.
Jeder freut sich wohl über eine dicke Gehaltserhöhung. Aber hält die Freude an, wenn man erfährt, dass der Kollege mehr bekommt?
Wer würde nicht gern eine Rente von 5.000 Euro haben.
Aber würde man das auch noch wollen, wenn alle anderen 8.000 Euro Rente haben? Vielleicht würde ich lieber nur 3.000 Euro Rente bekommen wollen, wenn alle anderen 2.000 haben.
Es geht also wenig darum, was man wirklich sachlich hat oder nicht hat. Nicht nur Vernunft spielt hier eine Rolle. Das Thema Gerechtigkeit kann kaum besprochen werden, ohne dass Gier und Neid mit dem Thema verbunden werden.
Ein Beispiel:
Stellen wir uns mal vor, wir sind eine Lotto-Tipp-Gemeinschaft und haben das große Los gezogen und eine Million gewonnen. Wie teilen wir das Geld auf? Soll wirklich jeder das gleiche bekommen? Ist das nicht unfair? Monika hat den Schein ausgefüllt, Doris hat ihn abgegeben und den Vorschlag zu einer Tippgemeinschaft hat Maria gemacht, die jetzt gar nicht mehr dabei ist. Sollte sie nicht auch etwas abbekommen? Außerdem, Eva hat gerade geerbt – aber Luise hat nur eine kleine Rente und würde das Geld viel nötiger gebrauchen können.
Oder das Beispiel mit den 10 Menschen auf der einsamen Insel: Wie verteilt man die Lebensmittel? Einer ist pfiffig, hat sich eine tolle Angel gebaut und fängt die dicksten Fische. Ein anderer hat zwar auch eine Angel, aber weniger Glück. Ein besonders großer, starker Kerl hat immer besonders viel Hunger, eine ältere Frau kann nicht mehr so gut angeln gehen und es gibt auch einen, der lieber in der Sonne liegt, als zu arbeiten. Sollen wirklich alle das gleiche bekommen. Wie kann man fair teilen?
Also, auch hier nicht so einfach, eine für alle gerechte Lösung zu finden?
Der Knackpunkt ist immer, zwischen dem Recht des Einzelnen und der Solidarität mit der Gemeinschaft den richtigen Weg zu finden.
Rein wissenschaftlich wird dazu oft das Ultimatum-Spiel herangezogen. Jemand bekommt einen Betrag X und soll diesen nach eigenem Gutdünken mit Person 2 teilen.
Knackpunkt: Wenn Person 2 seinen Anteil ablehnt, bekommt auch Person A nichts und beide gehen leer aus.
Gut vorstellbar, dass der Black-Rock-Manager das Spiel anders spielt als vielleicht eine engagierte Christin von der Tafel. Vielleicht gibt der auf Profitmaximierung gedrillte Winnertyp nur einen kleinen Teil ab, fühlt sich damit schon großzügig und meint: „Also, ich finde das ja extrem undankbar, wenn du das jetzt ablehnst, schließlich hast du dafür keinerlei Leistung erbracht. Solltest dich freuen, überhaupt etwas zu bekommen.“
Im Ernst jetzt. In der Regel fangen die Leute bei ca. 30 Prozent an, darüber nachzudenken und evtluell abzulehnen.
Aber wie sieht es aus, wenn es nicht um 1.000 Euro geht, sondern beispielsweise um 1 Million? Wenn mir dann jemand nur ein einziges Prozent anbietet sind das immerhin 10.000 Euro. Würde ich das auch noch ablehnen?
Man seht, mit der Gerechtigkeit ist nicht so einfach wie man denkt. Vielleicht wird jetzt auch klar, warum das Thema bedingungsloses Grundeinkommen so kontrovers diskutiert wird.
Vom Geld mal ganz abgesehen. Schon mal von Klimagerechtigkeit gehört? Die Verursacher des Klimawandels sind die Industriestaaten, hier entstehen die meisten Treibhausgase. Die Auswirkungen davon spüren aber in erster Linie die Entwicklungsländer durch Hurricans, Erdrutsche, Ernteausfälle etc.. Inselstaaten wie die Malediven werden untergehen und einfach keinen Lebensraum mehr bieten, wenn der Meeresspiegel weiter steigt. Holland kann Deiche bauen und versuchen, sich zu schützen, einige Südsee und Karibikinseln können das nicht. Sie sind extrem stark bedroht.
Ist das gerecht? Darüber könnte man lange diskutieren
Und wie sieht es hier bei uns vor Ort in der Praxis und bei uns selbst aus?
Manche Leute arbeiten hart und können kaum davon leben. Manche Leute bekommen kaum den Mindestlohn. Gerade Frauen, Alleinerziehende und Rentner leben oft am Existenzminimum. Andererseits steigt die Zahl der Superreichen. Manager großer Konzerne bekommen Millionen Abfindungen, auch wenn sie das Unternehmen in die Pleite wirtschaften. Viele Großunternehmen schaffen es durch Verschachtelungen so gut wie überhaupt keine Steuern bezahlen. Auch Millionäre und Prominente zahlen oft kaum Steuern und finden legal oder illegal, immer wieder Wege, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Vor nicht langer Zeit ging der Skandal von den Cum Ex Deals durch die Medien. Da wurden allein in der EU Steuern in Höhe von mind. 55 Milliarden EURO hinterzogen. Man kann sich ja mal überlegen, was die Staaten mit dem Geld alles hätten machen können. Kindergärten, günstige Wohnungen, öffentlicher Nahverkehr, Rentenerhöhung – alles kein Problem, und mit diesem Riesensummen durchaus zu finanzieren.
Ist das gerecht, dass Superreiche mit Hilfe von Banken etc. immer wieder Mittel und Wege finden, sich vor der Verantwortung zu drücken? Ist es fair, dass große Konzerne durch undurchschaubare Verflechtungen, Holdings etc. Gewinne hin und her schieben und oftmals letztendlich keinerlei Steuern zahlen?
Wundert man sich da über Sozialneid?
Klar ist - viele von uns leben im Vergleich dazu in eher bescheidenen Verhältnissen.
Unsere finanziellen Mittel sind begrenzt. Wer von uns hat Panama Papers oder ein Konto auf den Caymans? Aber – Hand auf’s Herz: Wer hat nicht schon mal die Steuer geschummelt oder die Versicherung? Wer hat nicht schon mal selbst schwarz gearbeitet oder Schwarzarbeit machen lassen? Wer hat seine Haushaltshilfe angemeldet?
Zu Weihnachten und bei der nächsten Naturkatastrophe beruhigen wir unser Gewissen mit einer wohlmeinenden Spende aber dabei verhalten wir uns oft nicht besser, als der Manager, der sich den dicksten Batzen für sich selbst nimmt. Auch wenn wir uns das nicht bewußt machen.etwa mit einem Mikrokredit.
Sehr beeindruckt hat mich das Buch „wie kommt der Hunger in die Welt“ von Jean Ziegler. Er war UN Sonder-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung.
„Es geht nicht darum, den Armen mehr zu geben, es geht darum, ihnen weniger zu stehlen“.
Wir stehlen ihnen alles. Bodenschätze, das Land und die Ernten, Grundwasser, ihre Gesundheit und vor allem ihre Würde. Dafür braucht man sich nur mal näher mit Themen wie landgrabbing, agrardumping oder der Geschäftspraktiken von Unternehmen wie Nestlé oder Monsanto / Bayer zu beschäftigen.
Jetzt könnte man sagen, wir reichen, westlichen Industriestaaten müssen mehr tun. Wir müssen unseren Entwicklungshilfe-Etat aufstocken und mehr Geld in die Entwicklungsländer pumpen.
Aber auch das ist nicht so einfach zu sehen. Viel geschluckt wird durch Korruption und oft ebnet Entwicklungshilfe erst den Boden für Großinvestoren.
Viel zu wenig – wenn überhaupt – kommt dort an, wo es notwendig wäre.
Bekannt ist auch, was durch Agrardumping angerrichtet wird. Immer wieder hört man, dass z.B. subventioniertes Tomatenmark aus europäischen Überproduktionen so billig nach Afrika geschickt wird, dass sich dort die Erzeugung von Tomaten schon lange nicht mehr lohnt.
Immer mehr Menschen sind in Not, nicht nur durch Kriege etc. sondern auch durch Klimakatastrophen und Perspektivlosigkeit, die viele zwingt, große Risiken auf sich zu nehmen und den Weg nach Europa zu suchen.
Was also können / was sollten wir tun, um zu mehr Gerechtigkeit zu kommen?? Klar, wir sollten unsere Steuern brav zahlen und nicht schummeln.
Global gesehen sind unsere Möglichkeiten fast unbegrenzt, mit dem täglichen Einkauf über die Dinge zu bestimmen. Wir alle wissen, unter welchen Bedingungen unsere T-Shirts u.a. in Pakistan produziert werden, freuen uns aber trotzdem über den günstigen Preis.
Aber für alles, was hier billig ist, zahlt irgendwer irgendwo einen hohen Preis
Das gilt für die T-Shirts genauso wie für den billigen Haarschnitt oder die Schweineschnitzel.
Also, es liegt auch an uns, was mit der Erde passiert. Wir haben die Zukunft der Welt in der Hand. Wir können uns sozial gerecht verhalten. Kaufen wir lokales Obst vom Bauern aus der Region oder Erdbeeren aus Peru? Unterstützen wir durch unseren Konsum weiterhin Konzerne bei der kompletten Ausbeutung der so genannten dritten Welt?
Gerechtigkeit für alle ist eine Illusion und kann es nicht geben. Aber wir haben es in der Hand, selbst etwas dafür zu tun. Für ein vernünftiges, soziales Miteinander können wir einiges tun. Wir können beispielsweise das spenden, was am wertvollsten ist. Unsere Zeit.
Mit ehrenamtlichem Engagement kann man einiges bewirken und manchmal hilft auch allein schon ein Daumen an der richtigen Stelle in den sozialen Netzwerken.
Viele globale Missstände könnten durch die Umsetzung der global goals verbessert werden.
Basisinfos dazu mit Tipps, was JEDER persönlich zur Umsetzung beitragen kann gibt es hier oder in vielen anderen shops (ausser AMa) zum kostenlosen download.
„17 x nachhaltig for future“ Erklärbär-Büchlein zu den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen
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