Wasserkraft statt Indianerschutz: Wasserkrise im Südosten und leere Kassen im ganzen Land. Nichtsdestoweniger investiert Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff weiter massiv in den Ausbau der Wasserkraft in Amazonien. Bis 2018 will sie 42 Milliarden Real umgerechnet rund 12 Milliarden Euro in neue Energieprojekte zur Stromerzeugung stecken. Der Grossteil davon, zehn Milliarden Euro, wird in die beiden Mega-Staudämme São Luiz und Jatobá am Rio Tapajós im Herzen Amazoniens fließen.
Das Wasserkraftprojekt São Luiz wird 729 Quadratkilometer Regenwald unter Wasser setzen und laut Plan 8040 Megawatt Strom erzeugen. Der zweite Stausee, Jatobá, am selben Fluss wird eine Fläche von 646 Quadratkilometer überschwemmen und soll 2338 Megawatt erzeugen. Opfer der beiden seit Jahren von Wissenschaftlern und Umweltschützern kritisierten Stromprojekte am Rio Tapajós sind nicht nur artenreiche Regenwaldflächen, sondern auch Tausende von Flussanwohnern (Ribeirinhos) und Ureinwohner, deren Häuser, Land und deren Jagd- und Sammelgebiete unter den Stauseen verschwinden werden.
Fast genau vor einem Jahr, September 2014, legte deshalb die damalige Präsidentin der Indianerschutzbehörde FUNAI, Augusta Assirati, ihr Amt nieder. Sie hatte für eine Verlegung des São Luiz-Staudamms plädiert, weil er einen großen Teil des traditionellen Territoriums der Munduruku-Indianer überfluten werde. Doch Dilmas Regierung ignorierte schlicht die Weisung der Funai-Chefin zum Schutz des Indianergebiets.
Wasserkraft und damit Wirtschaftswachstum statt Respekt vor indigenen Kulturen. Das scheint der Rote Faden der Regierung Dilma zu sein.
Tatsächlich hat kein brasilianischer Präsident seit Ende der Militärdiktatur in den 1980er Jahren so wenige Indianergebiete anerkannt wie Dilma Rousseff während ihrer beiden Amtszeiten. Zwischen 1985 und 1990 legalisierte Präsident José Sarney 21 Stammesgebiete (im Portugiesischen Homologação genannt). Staatspräsident Fernando Collor de Mello segnete dann in nur zwei Jahren Amtszeit sage und schreibe 112 Territorien ab, bevor er wegen angeblicher Korruption aus dem Amt gejagt wurde. Nachfolger Itamar Franco zeigte sich deutlich weniger indianerfreundlich und unterschrieb nur für 16 Gebiete.
Es folgte Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso: Während dessen achtjähriger Amtszeit von 1995 bis 2002 bekamen 145 Indianerterritorien seinen Segen. Die PT-Regierung Luiz Inácio Lula erkannte dann immerhin noch 81 Stammesgebiete an. Doch Lulas Parteikollegin und Nachfolgerin Dilma Rousseff hält den Negativrekord. Von 2011 bis Juni 2015 hat sie lediglich 14 Indianerterritorien legalisiert.
Die Anträge von Funai und Ureinwohnern verstaubten schlicht auf den Schreibtischen der Dilma-Regierung in Brasilia, so Antenor Vaz, der von 2008 bis 2013 in der Indianerschutzbehörde als politischer Koordinator arbeitete. Rund ein Dutzend Prozesse auf Demarkierung lägen beim Justizministerium auf der Wartebank. Und etwa 20 Indianergebiete warten seit Jahren schlicht auf die Unterschrift der brasilianischen Staatspräsidentin. Insgesamt steckten derzeit mehr als 200 Indianerterritorien noch in den Mühlen der Bürokratie, so das in São Paulo ansässige Instituto Socioambiental (ISA), das seit 1994 Brasiliens Indianerpolitik kritisch begleitet.
Die geplanten Staudämme am Rio Tapajós bedrohen aber nicht nur das Land der Munduruku und der vom Fischfang und nachhaltiger Waldnutzung lebenden Ribeirinhos.
Die geplanten Wasserkraftwerke São Luiz und Jatobá drohen zudem Fischreichtum und Fischvielfalt des Amazonaszuflusses auf seiner gesamten Länge zu schädigen, wie der Amazonasforscher Philip Fearnside bereits an den Wasserkraftmegaprojekten am Rio Madeira feststellen musste. Viele wandernde Fischarten seien dort am Verschwinden, weil die Dämme ihren seit Hundertausenden von Jahren bestehenden Zyklus der Reproduktion unterbrochen haben. Auch die am Rand der Staudämme errichteten Fischtreppen halfen nur marginal, so Fearnside. Kilometer lange Betonwände versperrten den Fischen den Weg, und nur wenige Fischarten fänden die im Vergleich zu den Dämmen winzigen Fischtreppen, so die Erfahrung am Madeira. Im Falle des Wasserkraftwerkes São Luiz werde diese Betonwand sieben Kilometer lang sein.
Fische gegen Turbinen
Fearnside: "Eines der Probleme ist, dass der Instinkt die Fische zur stärksten Strömung im Fluss leitet." Im Falle der Wasserkraftwerke kommt die stärkste Strömung unterhalb der Dämme aber nicht von den Fischtreppen, sondern stammt aus dem Ausfluss der Strom erzeugenden Turbinen - eine unüberwindliche, tödliche Falle. Nach seinen Erfahrungen mit den drastischen, ökologischen Folgen am Rio Madeira sieht Forscher Fearnside vom Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA) für den Tapajós gleichfalls eher schwarz.
Nichtsdestoweniger ist die "Verstromung" des Rio Tapajós Hauptprojekt des von Dilma Rousseff jetzt im August veröffentlichten Strom-Investitionsprogramms "Programa de Investimento em Energia Elétrica (PIEE)” bis 2018, das auch Gelder fuer für große Windparks sowie fuer Solarkraft- und Biomassekraftwerke vorsieht. Nach 2018 sollen laut PIEE weitere 21 Milliarden Euro (74 Milliarden Reais) in neue Projekte zur Stromerzeugung fließen.
Erstveröffentlichung "Junge Welt"
Autor: Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
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