Artenreichtum – Spätfolgen des Wirtschaftsbooms

Foto: wikimedia commons/ G. Brändle

In Europa spiegelt der heutige Artenreichtum die wirtschaftliche Entwicklung von gestern wider. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Folgen von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum erst Jahrzehnte später sichtbar werden.

 

Nationale Rote Listen benennen den Anteil und Gefährdungsgrad bedrohter Tier- und Pflanzenarten eines Landes. In Europa sind je nach Region 20 bis 40 Prozent der heimischen Flora und Fauna gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Forscher aus Österreich, Tschechien und Deutschland haben nun herausgefunden, dass nicht die aktuelle wirtschaftlichen Situation die Listen der bedrohten Arten beeinflusst, sondern diese das Ergebnis vergangener Jahrzehnte sind.

 

Die (Ur-)Großeltern sind schuld

 

Die Ökologen verglichen für ihre Studie Roten Listen verschiedener Tier- und Pflanzengruppen aus 22 europäischen Ländern mit den jeweiligen Daten zu Besiedlungsdichte, Bruttosozialprodukt und Landnutzungsintensität aus den Jahren 1900, 1950 und 2000. Sie erkannten einen deutlichen Trend: Die ökonomischen und demographischen Daten Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erklären die heutige Gefährdung von Arten deutlich besser als die momentane wirtschaftliche Lage.

 

Das heißt, je besser es der Wirtschaft Anfang des vergangenen Jahrhunderts ging, desto schlechter ist es heute um die Natur bestellt. Denn je entwickelter und je dichter ein Land besiedelt ist, desto mehr stehen Ökosysteme und ihre Bewohner unter Druck und desto verheerender sind die ökologischen Auswirkungen in den kommenden Jahrzehnten.

 

Eins ist klar: Die wirtschaftliche Entwicklung und eine stetig wachsende Bevölkerung verbrauchen Flächen für Wohn- und Wirtschaftsräume, Verkehrswege und sonstige Infrastruktur. Neue Straßen zerschneiden oft zusammenhängende Strukturen und Lebensräume. Bauten verdrängen Tiere und Pflanzen oder entziehen ihnen ihre gesamte Existenzgrundlage. Hinzu kommen Schadstoffeinträge in Ökosysteme und eingeschleppte Arten, die der heimischen Flora und Fauna das Leben schwer machen.

 

Handeln für eine artenreiche Zukunft

 

Die heutige Biodiversität spiegelt die sozioökonomischen Verhältnisse der Vergangenheit wider. Diese Erkenntnis wirft die Frage auf, wie vielversprechend momentane Naturschutzprogramme sind und ob die ergriffenen Maßnahmen überhaupt ausreichen. Wenn die wahren Auswirkungen unseres Handelns erst in einigen Jahrzehnten sichtbar werden, können die Folgen viel verheerender sein, als bisher angenommen. Sicher ist, dass die Roten Listen in hundert Jahren deutlich länger sein dürften als heute. Zeit zum Handeln ist also jetzt, da jedes weitere Zögern vielen Arten ihre Zukunft raubt. JET

 

 

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