Ökozid: Ein Verbrechen gegen das Völkerrecht

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Mangelnde Sicherheitsstandards bei Pipelines von Shell führten zur größten Ölkatastrophe der Welt: Die Ölpest im Nigerdelta zerstörte nicht nur ein ganzes Ökosystem, sondern auch die Lebensgrundlage von 30 Millionen Menschen. Ihre Lebenserwartung sank um 10 Jahre. Hunger, Gewalt, Stammeskonflikte und Mord sind die Folgen des rücksichtslosen und mutwilligen Raubbaus an der Natur.

 

Das ist ein Ökozid“ sagt die britische Juristin Polly Higgins. Der Begriff stammt nicht von ihr, sondern ist seit spätestens 1996 auch den Vereinten Nationen bekannt. Damals sollte Ökozid neben Genozid zu einem Völkerrechtsverbrechen erklärt werden. Im römischen Statut des internationalen Strafgerichtshofes waren ursprünglich fünf Verbrechen gegen den Frieden vorgesehen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Verbrechen der Aggression und Ökozid. Letzteres wurde auf vehementen Druck von den USA, England, Frankreich und den Niederlanden wieder von der Liste gestrichen.

 

Erst 2012 erfuhr die Öffentlichkeit davon: Eine neu eingerichtet Forschungsgruppe an der University of London School of Advanced Studies unter der Leitung des Human Rights Consortium (HRC) brachte dieses unbekannte Dokumente der Vereinten Nationen ans Licht. Warum wusste niemand davon? Higgins bringt es in einem Interview mit der österreichischen Zeitung der Standard auf den Punkt: Es „passiert hinter verschlossenen Türen“.

 

 

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Deepwater Horizon

Somit ist die „erhebliche Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust von Ökosystemen“ und die damit verbundene starke Einschränkung der „friedlichen Nutzung des Gebietes durch seine Bewohner“ bislang nicht einklagbar. Das möchten Polly Higgins und weitere Umweltaktivisten ändern. Das Verbrechen des Ökozids soll als fünftes Verbrechen gegen den Frieden in das Rom-Statut aufgenommen werden.

 

Bislang ist die „Verursachung weiträumiger, lang andauernder und schwerwiegender Schäden an der natürlichen Umwelt“ nur zu Kriegszeiten ein anerkanntes Völkerrechtsverbrechen. Die Abholzung des Regenwaldes, die Nuklearkatastrophe von Fukushima, der Bau des Belo Monte-Staudamms oder Deepwater Horizon bleiben somit kriminelle Verbrechen, die nicht einklagbar sind. Niemand wird zur Rechenschaft gezogen.

 

Das schlimmste womit Konzerne, wie Shell oder BP rechnen müssen, sind Bußgeldstrafen. Doch die kalkulieren sie „locker“ mit ein, denn der Gewinn aus Umweltzerstörung übersteigt die möglichen Geldstrafen millionenfach. Ökozid lohnt sich, weil es „kein Verbrechen ist, die Umwelt nachhaltig zu beschädigen. Wird aber Ökozid ein Verbrechen, ändert sich ein fundamentales Prinzip. Konzerne müssen sicherstellen, dass es keine massiven Eingriffe ins Ökosystem gibt. Wird doch eine Umweltzerstörung festgestellt, müssen Vorstandsvorsitzende und Direktoren persönlich Verantwortung übernehmen. Es wird Aufgabe des Staates und nicht von Privatpersonen sein, diese vor Gericht zu stellen.“

 

Bild: end ecocide

Im Rahmen einer europäischen Bürgerinitiative fordert End Ecocide Ökozid strafrechtlich zu verfolgen. Die Entscheidungsträger sollen haftbar gemacht werden. Direktoren und Vorstandsvorsitzende sollen sich in Zukunft nicht mehr fragen „Rechnet sich das Projekt?“, sondern „Ist das Projekt es wert, dass ich dafür ins Gefängnis gehe?“! Dafür sammelt End Ecocide Unterschriften. Eine Million Unterschriften braucht es, damit das Thema auf EU-Ebene diskutiert wird. Die Bürgerinitiative gegen Wasser-Privatisierung mit mehr als 1,5 Millionen Unterschriften hat gezeigt, dass Bürgerwille die EU-Kommission beeinflussen kann. Noch haben die europäischen Bürger 97 Tage Zeit einmal mehr zu zeigen, dass sie die kriminelle Zerstörung ihrer Umwelt nicht dulden.

 

Das Ökozid-Gesetz wäre für alle Beteiligten von Vorteil erklärt Higgins: „Es soll nicht darum gehen, die Umweltverschmutzer mit Bußgeldern zu bestrafen. Es soll gar nicht erst zur Bestrafung kommen. Wenn Konzerne Umweltrichtlinien befolgen müssen, sind sie in einer sicheren Position, haben nichts zu befürchten. Das Problem sind die derzeit gültigen Gesetze. Sie zielen darauf ab, die Wirtschaft anzukurbeln, die Maximierung von Profit steht an vorderster Stelle. Mit dem Ökozid-Gesetz sollen aber keinesfalls Konzerne zum Kollabieren gebracht werden. Probleme könnten zu Lösungen werden: Unternehmen, die schmutzige Energie erzeugen, könnten auf erneuerbare Energien umsatteln. Für Innovationen sollte einfach in die andere, grüne Richtung geforscht werden“.

 

CFE

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