Anspruch und Wirklichkeit: „Sie geloben, die Umwelt zu schonen und kleben Ökosiegel auf ihre Produkte“, beschreiben jetzt Forscher der Technischen Universität München (TUM) ihre Zielgruppe, der sie genauer auf die Finger schauten. Denn „dann stellt sich heraus, dass sie doch Produkte verkaufen, die zu viele Pestizide oder Palmöl aus Regenwaldgebieten enthalten“. Den Gründen für dieses Verhalten spürten sie gemeinsam mit Kollegen der Indiana University und der Oklahoma State University beim Befragen von 100 deutschen Firmengründern nach.
Die Unternehmer sollten sich in dem Experiment zwischen der Attraktivität vorgelegter Geschäftsmöglichkeiten oder deren Auswirkungen auf die Umwelt entscheiden. Die Wissenschaftler fragten zudem, wie die Manager selbst die Wirkung ihrer Beschlüsse auf die Natur oder auf den weiteren Geschäftsverlauf einschätzten. Ergebnis: „Die Wissenschaftler stellten fest, dass auch Unternehmer mit großem Respekt für die Natur Entscheidungen trafen, die Umweltschäden auslösten“, schreiben die TUM Wissenschaftler über ihre Studie.
Dabei folgten die Entscheidungen aber nicht einer bewussten Abwägung, erklären die Forscher: „Die Testpersonen haben vielmehr unbewusst die Beziehung zwischen Werten und Handlungen neu justiert – sodass ihre Handlungen wieder mit ihren Werten überein zu stimmen schienen“, sagt Holger Patzelt vom Lehrstuhl für Entrepreneurship der TUM.
Selbstbewusste Chefs treffen schon mal umweltschädliche Entscheidungen
Nicht alle Unternehmer reagierten dabei gleich, erkannten die Wissenschaftler. Entscheidend war die Kombination zweier Einflüsse: ein großes unternehmerisches Selbstbewusstsein der Firmenchefs und ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld der Unternehmen. Das stellt alle bisherige Forschung auf den Kopf, denn „bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass im Gegenteil Unternehmer mit geringem Selbstbewusstsein eher in Konflikt mit ihren eigenen Werten geraten“, schreiben die Münchner Wissenschaftler in einer Pressemeldung über ihre Arbeit.
Holger Patzelt erklärt dieses Ergebnis seiner „I care about nature, but ...“-Studie so: „Firmenlenker, die ihre eigene Wirksamkeit sehr hoch einschätzen, wollen Einfluss nehmen. Deshalb laufen sie eher Gefahr, Werte auszublenden, die ihre Handlungsoptionen einschränken. Das gleiche Prinzip gilt unter ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen, also etwa einer zugespitzten Konkurrenzsituation des Unternehmens. Auch dann glauben die Chefs, dass es auf ihre Entscheidungen besonders ankommt.“
Studie über Umweltfolgen hilft Politik, Wirtschaft und Lehre
Aus diesen Ergebnissen, so glauben die Münchner Forscher, sollten Politiker die richtigen Schlüsse ziehen. "In Branchen mit schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen könnte der Gesetzgeber auf eine stärkere Regulierung zum Schutz der Natur achten“, sagt Patzelt.
Auch die Unternehmer selbst könnten nun profitieren. Sie müssen nur das Wissen über die unbewussten Entscheidungsmechanismen in ihre Handlungsstrategien einbeziehen. Nicht zuletzt hoffen die Wissenschaftler, dass die Studienergebnisse die Ausbildung verändern. „Bislang versuchen wir, künftigen Unternehmern im Wirtschaftsstudium ein hohes Maß an unternehmerischem Selbstbewusstsein zu vermitteln“, erklärt Patzelt. „Jetzt wissen wir, dass wir damit auch ungewollte Folgen auslösen können.“
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