ETH Forscher will Denk-Revolution wie einst Galileo

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Die Welt hat einen Grad an Komplexität erreicht, den der Mensch nicht mehr durchschaut. "Vieles können wir kaum noch nachvollziehen: Beispielsweise die Geschehnisse an den Finanzmärkten oder soziale Unruhen wie jene in London, in die sich sogar Lehrer und Millionärstöchter mischten", sagt Komplexizitätsforscher Dirk Helbing von der ETH Zürich: "Wir verstehen das Universum besser als unsere globalisierte Welt. Um deren Dynamik zu begreifen und nachhaltig zu gestalten, müssen wir Daten und Modelle intelligenter als bisher verknüpfen."

Helbig leitet in Zürich das Projekt „FuturICT“, das mit der "Living Earth Platform" den ersten Gesellschaftssimulator erschaffen will. Helbigs Idee: Selbstorganisation können zu Koordination, Effizienz und Stabilität im System - genauso aber zum Zusammenbruch führen. Was letztlich passiert, hänge davon ab, wie die Teile des Systems interagieren. Das will er mit seien Kollegen erforschen und in einem Modell simulieren.

Über diese Interaktion aber wisse man nur wenig. Kein Wunder, so Helbing, dass wir nicht versteht, wie die Gesellschaft funktioniert und was sie zusammenhält. Deshalb könne es leicht geschehen, dass ihre Fundamente beschädigt oder ausgebeutet würden.

Der ETH-Forscher zieht Vergleiche mit dem früheren Umgang mit der Umwelt. In einem Interview der Agentur Pressetext sagt er: "Auf öffentliche Güter wie Wald und Flüsse wurde so lange kaum Rücksicht genommen, bis man den Schaden messen konnte. Genauso müssen wir lernen, die Folgen unseres Handelns auf die Gesellschaft messbar und verständlich zu machen. Viele Probleme gehen darauf zurück, dass wir die Gesellschaft aus der falschen Perspektive sehen."

 

Foto: M. McDermot

Helbing weiß: Gemeinwohl und Wirtschaftswachstum hängen nicht nur von den einzelnen Teilen des Systems wie Individuen, Firmen, Institutionen und Infrastruktur ab. "Gesundheit, Kooperationsbereitschaft, Regelbefolgung, soziale Vernetzung, Vertrauen und Zufriedenheit entscheiden alle mit, ob etwa eine neu errichtete Firma an einem Ort floriert oder zugrunde geht. Diese Faktoren werden jedoch vernachlässigt, da sie bisher kaum messbar sind. Was wir heute brauchen, ist besseren Kompass für Politik und Wirtschaft als das Bruttosozialprodukt", so der Forscher.

Immerhin gibt es mittlerweile eine gute Datengrundlage, denn längst schon messen Google Trends oder Twitter die Befindlichkeit der Welt. Offen ist aber die Frage, worauf man schauen muss. "Messungen ohne theoretischen Hintergrund führen nicht weit. Nötig sind Instrumente, die in den Daten Bedeutungsvolles entdecken, das Gefundene interpretierbar machen und Implikationen für die Politik aufzeigen können", erklärt Helbing. Sein Projekt „FuturICT soll“ soll deshalb Datensätze und Theorien kombinieren und durch ein "planetares Nervensystem" verständlich machen.

Um komplexe Systeme zu verstehen, ist ein Paradigmenwechsel erforderlich. "Wir brauchen ein Umdenken, weg von der sichtbaren Welt der Komponenten, hin zur unsichtbaren, nur indirekt erschließbaren Welt der Interaktionen. Dieses Umdenken wird vielleicht so radikal sein wie der Wandel vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild", betont der ETH-Forscher.

Während ohne Letzterem die moderne Physik oder Satelliten im All kaum vorstellbar gewesen wäre, sei das neue Umdenken für die Lösung globaler Herausforderungen wie etwa die Finanzkrise nötig. "Wenn wir die Interaktionen richtig wählen, können wir die Tendenz zur Selbstorganisation nutzen. Das läuft auf mehr Bottom-Up-Ansätze heraus, für die es aber die richtigen Spielregeln braucht. Diese gilt es in Simulationen zu erforschen."

Sarah Baker Foto: LLL/flickr CC

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