Autos ohne Fahrer kurven längst durch Kalifornien und Lastwagen auf deutschen Versuchsspur-Autobahnen. Jetzt setzen Magdeburger Studierende eins drauf: Sie wollen die Mobilität in der City revolutionieren. Ihre selbstfahrenden Lasten-E-Bikes ordern die Kunden per Smartphone. Sie rollen selbstständig zum Einsatzsort, wo die Besteller einladen, aufsteigen und losradeln.
Noch ist's Zukunftsmusik. Das Projekt erfordert interdisziplinäre Kooperation. Im Team aus Maschinenbauern, Informatikern, Logistikern und Umweltpsychologen der Otto-von-Guericke-Universität testen die Wissenschaftler zurzeit die Tauglichkeit ihrer E-Bikes im Verkehrsgetümmel der Landeshaptstadt von Sachsen-Anhalt. Diese "Revolution im Kleinen", beschreibt ein Pressesprecher der Universität, verändere "urbane Mikromobilität". Es mache zunächst jedoch eine Vielzahl ingenieurwissenschaftlicher, betriebswirtschaftlicher, sozial- und humanwissenschaftlicher Entscheidungen notwendig. Stephan Schmidt vom Lehrstuhl Autonomes Fahren der Fakultät für Maschinenbau zur Vision von Magdeburg: „So könnte beispielsweise eine effektive Streckenführung etwa die Überquerung einer vielbefahrenen Straße ohne Ampel erfordern, was technisch, juristisch, aber auch wahrnehmungspsychologisch erhebliche Herausforderungen mit sich bringt.“
Autonomes E-Bike: Psychologen erforschen die Akzptanz
Ausgestattet mit hochentwickelter Messtechnik „erkennt“ das Lastenrad etwa Bordsteine oder andere Verkehrsteilnehmer. Es kann analysieren, welche Sensorik bei welchen Witterungsbedingungen am besten geeignet ist. Soweit die technischen Anforderungen.
Zeitgleich befragen derzeit Umweltpsychologen potenzielle Nutzer des (noch) ungewöhnlichen Fahrzeuges. „Besonders spannend ist für uns dabei, wie die Interaktion mit Passanten gestaltet werden kann und welche Faktoren sich auf die Akzeptanz des E-Bikes auswirken“, sagt Karen Krause vom Lehrstuhl für Umweltpsychologie.
Parallel dazu laufen Gespräche mit Verkehrsplanern, mit Vertretern des öffentlichen Nahverkehrs und Versicherungen, um einen Testlauf in der Magdeburger Innenstadt auch tatsächlich umzusetzen. Schon in den nächsten Wochen nämlich sollen erste Nutzer per Smartphone-App ein solches Fahrzeug testweise zu jedem beliebigen Standort rufen können. Den Fahrerinnen und Fahrern werden variabel konfigurierbare Aufsätze zur Verfügung stehen, mit denen sich beispielsweise Lasten transportieren oder zusätzliche Personen befördern lassen.
Stadtverkehr wird sicherer und umweltfreundlicher
Nach Nutzung rollt das Lasten-E-Bike dann ganz selbstständig in ein zentrales Depot zurück.
„Eine der größten Herausforderungen des Projektes liegt in der fehlertoleranten Umgebungserfassung“, so Informatikprofessor Sebastian Zug. „Also, in der zuverlässigen Analyse, wo sich das Fahrrad global und – vor allem - in Bezug auf die intendierte Fahrspur befindet. Verstellen Hindernisse oder Personen diesen Weg, welche anderen Verkehrsteilnehmer sind aktuell relevant? Diese Fragen müssen auch bei veränderlichen Witterungsbedingungen und in ‚kniffligen’ Situationen sicher beantwortet werden können.“
Die Wissenschaftler wollen mit ihrem Projekt langfristig den Stadtverkehr sicherer und umweltfreundlicher machen. „Schon ab 2020 könnte Magdeburg damit zum Vorreiter bei der Nutzung kleiner, umweltverträglicher autonomer Fahrzeuge werden“, glaubt Ingenieur Schmidt. „Selbstfahrende Fahrräder, die sich auf dem Breiten Weg eigenständig zwischen Hauptbahnhof und Unicampus bewegen, gehören dann vielleicht wie selbstverständlich zum Stadtbild.“
red
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