20.11.2018
Biokraftstoffe 2.0: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen soll in Zukunft eine größere Rolle spielen, um die Klimaziele zu schaffen. Solche „Bio-Kraftstoffe“ der ersten Generation jedoch haben nicht eben ein gutes Image. Denn die Äcker zur Produktion von Energieträgern zu nutzen ist problematisch - die Kraftstoffherstellung gerät damit in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung.
Um den Ausweg aus dieser Zwickmühle zu finden, forschen Wissenschaftler an der TU Wien nun schon seit Jahren an der sogenannten zweiten Generation von Bio-Kraftstoffen. Basis dieses Sprits sind vor allem Abfälle der Forst- und Landwirtschaft sowie Reststoffe der Nahrungsmittelindustrie. Ziel der Forschung sind kostengünstige CO2-neutral Kraftstoffe. Deshalb haben die Wissenschaftler jetrzt das Projekt „Heat to Fuel“ gestartet.
Klimaziel: 10 Prozent Kraftstoff aus erneuerbaren Rohstoffen
Um die EU-Klimaziele zu erreichen soll beim Verkehr bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts 10 Prozent der Kraftstoffmenge aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden. „Denn nach wie vor ist der Verkehrssektor einer der Hauptverursacher von Treibhausgasen“, begründen die Forscher ihre Suche. Gerade im Transportbereich und im Flugverkehr sei eine Elektrifizierung schwierig und der Einsatz von Brennstoffzellen noch nicht absehbar. Bio-Kraftstoffe der zweiten Generation könnten deshalb eine Alternative zu den derzeit verwendeten fossilen Kraftstoffen bieten.
„Für die Bio-Kraftstoffe der zweiten Generation soll praktisch die vollständige Pflanze verwendet werden, man kann sogar Reststoffe wie Rinde, Stroh oder Lignin verwenden“, erklärt dazu Anna Mauerhofer. Sie forscht am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften in Wien. „Somit stehen diese Kraftstoffe nicht mehr so stark in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion“, erklärt sie den Vorteil des Projekts.
Im Pilotmaßstab ist die Herstellung eines qualitativ hochwertigen und umweltfreundlichen Bio-Kraftstoffes bereits möglich. 14 Partner aus sieben Ländern forschen im Rahmen des Projekts „Heat-to-Fuel“, um die Produktion des Bio-Kraftstoffes technisch und wirtschaftlich zu realisieren. Alle legen besonderen Wert auf die Entwicklung und Verbesserung von Herstellungsverfahren, die mit Abfall- und Reststoffen auskommen, die in ausreichender Menge und Qualität kostengünstig verfügbar sind.
Außerdem wollen die Wissenschaftler die Transportwege kurz halten – „die Herstellungsverfahren müssen also auf die lokal verfügbaren Rohstoffe angepasst werden“, begründen Sie.
Auch die Herstellung des Kraftstoffes selbst effizienter werden. Deshalb verbindet „Heat-to-Fuel“ zwei sonst unabhängige Technologien zur Bio-Kraftstoffherstellung in einer Anlage. Trockene Rohstoffe wie beispielsweise Holz oder Rinde werden in einer Zweibettwirbelschicht bei hohen Temperaturen über 750 Grad Celsius (°C) in Gas umgewandelt und anschließend durch eine Fischer-Tropsch-Synthese zu hochwertigem Biodiesel verflüssigt. Für nasse Rohstoffe wie Schwarzlauge, die bei der Papierherstellung anfällt, eignet sich hinegen die sogenannte „Hydrothermal Liquefaction“. Dabei werde, erklären die Forscher, „die nasse Biomasse bei extremem Druck von bis zu 200 bar und Temperaturen von etwa 250°C zu Bio-Rohöl verarbeitet“.
Am Ende steht ein flüssiger Bio-Kraftstoff – fertig für die Zapfsäule.
Flexible Einsatzmöglichkeiten
Beide Prozesse laufen zwar nebeneinander ab, werden aber dort verschränkt wo Ressourcen gespart werden können und eine höhere Effizienz erreicht wird. „Wir möchten alle ungenutzten Energie- und Materialströme, die während der Prozesse anfallen, so gut wie möglich wiederverwerten und möglichst wenige Abfallströme ungenutzt lassen“, gibt Hermann Hofbauer vor. Der Professor leitet die Forschungsgruppe zukunftsfähige Energietechnik. So könnte die Abwärme, die bei der Vergasung entsteht, die Wärme liefern, die bei der „Hydrothermal Liquefaction“ gebraucht wird.
Und auch etwa bei der „Hydrothermal Liquefaction“ fallen Abfallstoffe, wie kohlenstoffreiches Wasser an. Sie können ebenfsalls im Prozess wiederverwendet werden. Mittels „Aqueous Phase Reforming“ könnten die Experten aus diesem Abwasser den Wasserstoff für die Fischer Tropsch Synthese und die Veredelung des erzeugten Bio-Rohöhls zu Kraftstoff gewinnen.
Die TU-Wien will sich vor allem mit dem Bereich Biomassevergasung beschäftigen, betont Stefan Müller als Leiter des Projekts: „Bei diesem Verfahren hat die TU Wien sehr viel Kompetenz und es gibt bereits funktionierende Anlagen. Daher liegt unser Hauptaugenmerk auf der Wiederverwendung des CO2 bei der Vergasung und der Erforschung alternativer biogener Brennstoffe. Die Umsetzung dieser Ziele wäre ein toller Schritt, um der Realisierung einer Bioraffinerie zur Erzeugung synthetischer Kraftstoffe ein weiteres Stück näher zu kommen.“
Solenne Peltier
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