Plastik am Meeresgrund der arktischen Tiefsee: Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung belegte jetzt mit 2.100 Fotos vom Meeresboden in der östlichen Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, dass dort ähnlich viel Plastik im Ozean versank wie in der Nähe der portugisischen Hauptstadt Lisabon. Insgesamt verdoppelte sich der Müllberg unter Wasser im zurückliegenden Jahrzehnt.
Bergmann veröffentlicht ihre Arbeit im Fachmagazin Marine Pollution Bulletin. Ihr Motiv für die Müllsuche am Meeresgrund: „Den Anstoß gab ein Bauchgefühl. Bei der Durchsicht von Expeditionsfotos gewann ich den Eindruck, dass 2011 öfter Plastiktüten und andere Müllreste zu sehen waren als auf Bildern früherer Jahre. Deshalb entschloss ich mich, alle Fotos aus den Jahren 2002 bis 2008 systematisch nach Müll zu untersuchen.“
Meeresboden wird alle 30 Sekunden fotografiert
Die Tiefsee-Forscher am Alfred-Wegener-Institut setzen bei Polarstern-Expeditionen zum Hausgarten regelmäßig ihr ferngesteuertes Kamera-System OFOS (Ocean Floor Observation System) ein. An der Hausgarten- Station schwebt es in einer Wassertiefe von 2.500 Metern etwa 1,5 Meter über dem Grund und macht alle 30 Sekunden eine Aufnahme vom Boden unter sich. Seine Aufnahmen dienen den Tiefseebiologen vor allem dazu, Veränderungen in der Artenvielfalt von größeren Tiefseebewohnern wie Seegurken, Seelilien, Schwämmen, Fischen und Garnelen zu dokumentieren. Für Melanie Bergmann aber lieferten sie auch Belege für die zunehmende Verschmutzung der Tiefsee.
„Bei den Aufnahmen aus dem Jahr 2002 finden sich auf rund einem Prozent der Fotos Müllreste, in erster Linie Plastik. Bei den Bildern aus dem Jahr 2011 machten wir dieselbe Entdeckung auf rund zwei Prozent der Fotos. Die Müllmenge am Meeresgrund hat sich also verdoppelt“, sagt die Wissenschaftlerin.
Klimawandel führt zu mehr Müll im Meer
„Zwei Prozent“ klinge im ersten Moment nicht aufregend. Wie groß das wahre Ausmaß der Verschmutzung in der arktischen Tiefsee jedoch sei, zeige ein Vergleich: „Der Arktische Ozean und vor allem seine Tiefseegebiete galten lange Zeit als entlegene, nahezu unberührte Regionen der Erde. Unsere Ergebnisse belegen nun aber, dass zumindest rund um unser Tiefseeobservatorium inzwischen genauso viel Plastikmüll auf den Grund des Ozeans gesunken ist, wie zum Beispiel in einem Meeresgraben nicht weit entfernt von der portugiesischen Metropole Lissabon“, erklärt Melanie Bergmann.
Woher die Müllstücke in der Arktis stammen, kann Melanie Bergmann mithilfe der Fotos nicht bestimmen. Sie vermutet, dass der Rückgang des Meereises eine Rolle spielt. „Die arktische Meereisdecke wirkt normalerweise wie eine Barriere. Sie verhindert, dass Wind Müll vom Land ins Meer weht und versperrt den meisten Schiffen den Weg.“ Seit die Eisdecke schrumpft, habe der Schiffsverkehr zugenommen. „Wir beobachten inzwischen dreimal mehr Privatjachten und bis zu 36 mal mehr Fischereischiffe in dieser Region als vor 2007“, erzählt Melanie Bergmann.
Müllzählungen an Stränden Spitzbergens hätten zudem ergeben, dass der dort angespülte Abfall hauptsächlich von Hochseefischern stamme.
Plastikabfall macht Bewohner der Tiefsee krank
Die Leidtragenden dieser zunehmenden Verschmutzung sind vor allem die Tiefsee-Bewohner. „Fast 70 Prozent der von uns entdeckten Plastikreste waren auf irgendeine Weise mit Tiefsee-Organismen in Kontakt gekommen. Wir fanden zum Beispiel häufig Plastiktüten, die sich in Schwämmen verfangen hatten, ein Kartonstück, das von Seelilien bewachsen war, sowie eine Flasche, auf der sich ebenfalls eine Seelilie angesiedelt hatte“, erzählt Melanie Bergmann.
Kommen Schwämme oder andere Suspensionsfresser mit Plastik in Berührung, zieht dies vermutlich Verletzungen ihrer Körperoberfläche nach sich. Die Folge: Die Bodenbewohner können weniger Nahrungspartikel aufnehmen, wachsen deshalb langsamer und vermehren sich vermutlich seltener. Auch die Atmung könnte behindert werden. Zudem enthält Plastik auch immer chemische Zusatzstoffe, die auf ganz unterschiedliche Weise toxisch wirken.
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