1000 Münchner marschieren gegen Monsanto

Der Münchner Stachus ist kaum passierbar. Bemalte Pappschilder, riesige Fahnen und Plakate mit Totenköpfen schweben über den Demonstranten, die sich vor einer Bühne versammeln. „Stoppt Monsanto“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Ein paar Fußballfans haben sich in die Menschenmasse verirrt. Ihre Fangesänge verstummen, sobald sie merken, dass es hier nicht um den FC Bayern geht. „Worum soll’s denn heute sonst gehen?“ Es geht um Monsanto. Ein milliardenschwerer Agrarkonzern, genmanipulierte Lebensmittel und Lobbyismus sind die Themen, die die Menschen zum Stachus ziehen.

 

Weltweit gingen am Samstag, den 25. Mai, über zwei Millionen Demonstranten auf die Straße, um ihren Unmut über die kriminellen Machenschaften von Monsanto und anderen Agrar- und Pharmariesen kund zu tun. „Wer hat schon noch Zeit sich damit ausführlich zu befassen? Die eine oder andere Nachricht zu hinterfragen und selbst zu recherchieren“, fragt Tarek Mantaoglu durch das Mikrofon die Leute. „Wir!“, ist die einstimmige Antwort aus der Menge. Doch Tarek Mantaoglu mahnt die Demonstranten zu weiterer Einsicht: „Ihr! Aber viele andere nicht. Die einen wollen es nicht. Die anderen können es nicht. Deswegen dürfen wir sie nicht verurteilen, sondern sollten mit gutem Beispiel voran gehen“.

 

Der Münchner Marsch gegen Monsanto – dank einiger Engagierter

 

 

1000 Münchner protestieren gegen Monsanto

Die Münchner Kundgebung fußt auf Recherche, Hinterfragen und dem Willen, mit gutem Beispiel voran zu gehen: Engagierte Münchner fanden sich im Internet, bloggten und posteten auf Facebook. Schnell waren sie sich einig: München darf bei dem weltweiten Protestmarsch gegen Monsanto nicht fehlen. Gesagt, getan. Sie gründeten das Bündnis „action-freedom“ und stampften innerhalb von drei Wochen ihre Kundgebung gegen Monsanto aus dem Boden. Erfolgreich - über 1000 Menschen sind gekommen.

 

Mitglieder der Grünen, der Linken und der ÖDP, aber auch privater Unternehmen, wie dem Störsender TV oder Slowfood, sowie von Verbänden unterstützen die Organisatoren mit ihren Reden gegen genmodifizierte Lebensmittel und weitere Themen rund um Monsanto und den Agrar-Lobbyismus. Regionale Lebensmittelproduzenten und –Lieferanten, wie der Münchner Betrieb Naturlieferant sorgen mit vegetarischen Gerichten für das leibliche Wohl der Demonstranten.

 

Wer darf bestimmen, was die Menschen essen?

 

 

Tarek Mantaoglu spricht zu den Münchnern Foto:action-freedom

„Eine bewusste Ernährung, eine bewusste Kaufentscheidung und ein bewusster Konsum müssen sich weiter verbreiten. ... Liebe Münchner, hinterfragt was ihr kauft! ... Wir kommen nur darauf, wenn wir anfangen zu hinterfragen. Wenn wir anfangen nachzulesen und uns informieren. Das ist unsere Aufgabe, ja sogar unsere Pflicht in dieser demokratischen Gesellschaft. Nur so haben wir die Chance auf eine bessere Welt. Diese Freiheit, die Generationen vor uns sich erkämpft und aufgebaut haben, darf nicht verloren gehen.“ Tarek Mantaoglu spricht den Demonstranten aus der Seele. Sie belohnen den Münchner Filmdesigner mit tosendem Applaus.

 

Auch für sie steht fest: Raus aus der „das ist doch ein zu weites Feld“-Mentalität. „Aufwachen, Aufstehen, Aufbrechen!“ steht auf der Fahne der „Mut-zur-Realität“-Bewegung geschrieben. Der Blick durch die Menge zeigt deutlich: Diese Menschen hier haben Mut zur Realität, Mut zu Protest. Sie wollen aktiv mitgestalten. Sie wollen, dass die politischen Entscheidungsträger ihre Meinung ernst nehmen. Denn es geht um eine ernste Sache: um die Ernährung der Menschheit. Dieses lebenswichtige Thema wollen sie nicht in die Hand eines Großkonzerns geben, welcher nicht nur durch Agent Orange Schlagzeilen machte.

 

"Mut zur Realität" fordert "Aufwachen"!

 

Monsanto: Von einem internationalen Konzern, der die Welt erobern will

 

Krakengleich schlingt Monsanto seine Arme um den gesamten Globus und saugt sich an vielen Regierungen, Großkonzernen und NGOs fest. „Kontrolliere die Lebensmittel, und du kontrollierst die Menschen.“ Nicht nur der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger wusste, wie Vorherrschaft zu sichern ist: die wichtigsten Ressourcen in eigener Hand. Es scheint, als hätte sich Monsanto dies zu seinem Leitspruch gemacht. Auch auf illegalem Weg versucht der Multikonzern seine Monopolstellung auf dem weltweiten Lebensmittelmarkt auszuweiten.

 

Sein Ziel verfolgt der Pestizid-Riese fleißig: Schon heute hält er Patente auf 90 Prozent des genveränderten Saatgutes. Aber nicht nur Pflanzen lässt sich Monsanto patentieren. Jetzt, den Pflanzenmarkt erobert, streckt der Konzern seine Tentakel nach Tieren aus. Schweine stehen ganz oben auf seinem „Speiseplan“. Monsanto will Schweine züchten, die schneller fressen und wachsen, um so die Produktionskosten für die Fleischerzeugung zu minimieren. Ein saugutes Geschäft!

 

Politische „Narrenfreiheit“ für Monsanto

 

Monsanto: eine Gefahr für unsere Gesundheit

Auch die Würgegriffe um Parlamente werden immer deutlicher spürbar. So entkam vor kurzem die US-Regierung der Riesenkrake nicht. Der neue Haushaltsplan von Anfang Mai 2013 gewährt Monsanto in den USA „Narrenfreiheit“. Der von Obama unterzeichnete Budget-Plan beinhaltet ein „Monsanto-Schutzgesetz“, das dem Konzern erlaubt, in allen US-Staaten genverändertes Saatgut anzupflanzen und zu vertreiben, auch wenn der Oberste Gerichtshof des betroffenen Staates dies untersagt hat. Hier siegte mal wieder Geld über Demokratie.

 

Europa könnten ähnliche Szenarien drohen. Die neue EU-Saatgutverordnung würde letztlich die Übernahme des europäischen Saatgutmarktes durch Monsanto, Syngenta und Bayer bedeuten. Regionaler und ökologischer Anbau müsste für genveränderte Monokulturen das Feld räumen. Artenvielfalt und eine gesunde Umwelt wären Träume von gestern.

Eine weitere „Gefahr“ stellt das sogenannte Freihandelsabkommen mit den USA dar, an dem derzeit auch Wirtschaftsminister Philip Rösler fleißig bastelt. Rösler habe mit Chlor gewaschenen Hühnchen kein Problem, erklärt er der Welt. Doch hier geht es um mehr. Wenn die USA ihre Produkte zollfrei nach Europa verkaufen dürfen, bedingt dies weitere Dumping-Preise auch auf tierische Produkte. Massentierhaltung, der großflächige Anbau von genmanipulierten Getreide-, Gemüse- und Obstsorten und der Handel mit giftigen Pestiziden würden unvorstellbare Dimensionen annehmen.

 

Veränderung muss her – und darum müssen wir uns alle kümmern!

 

 

MC Bushbayer fordert zum Handeln auf

„Es sind nicht mehr wir, die die Macht haben, es sind wir - wie serviert auf einer Schlachtbank. Keiner da der macht was, alle sind nur Schachmatt“, rappt Martin Bushbayer ins Mikro. Ein düsteres Bild, das der MC der Münchner Peacecamp Band prophezeit. Den Fehler sieht er auch in unserer „Hauptsache-mir-geht’s-gut“-Gesellschaft: „Fast alle wollen nur Geld und Lohn. Ob sich das Retten der Welt noch lohnt?“, fragt er berechtigt in die Runde. Doch Resignation ist nicht seins, und so folgert er: „Wir sind jetzt dran. Wir entern den Thron, eine neue Generation!“ Die Menge am Stachus tanzt, tobt und springt. Sie sind bereit. Sie wollen die neue Generation sein, die Veränderung bringt.

Journalist Zain Raza hat den Münchner Marsch gegen Monsanto mitorganisiert - wir haben ihn interviewt:

 

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