Wirtschaftswachstum dringt nicht zu Armen vor

Die Armen profitieren nicht vom Wachstum. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien, welche gerade veröffentlicht wurden. Beide behandeln das Thema Wachstum und den Nutzen für die Ärmsten der Armen.

Dabei beschäftigt sich die Bertelsmann Stiftung vor allem mit der Frage der Globalisierung als angebliches Allerheilmittel für die ärmsten Länder. Der Entwicklungsökonom Sebastian Vollmer von der Universität Göttingen untersucht mit seinem Forscherteam vor allem die Beziehung zwischen Wirtschaftswachstum und Unterernährung. Seine Studie erschien in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet Global Health.

Eine Handvoll Reis Foto: Flickr CC/Mr. Kris

 

Globalisierung bringt viele Vorteile – vor allem für Reiche?

Die Bertelsmann Stiftung hat erstmals untersuchen lassen, welche Auswirkungen Globalisierung auf nationale Volkswirtschaften hat. Als Messgröße benutzte sie das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Studie zeigt zunächst positive Effekte für alle, überall stieg das Pro-Kopf-Einkommen an, auch in den Entwicklungsländern. Doch die absoluten Zugewinne pro Einwohner waren dort geringer. Ging man bisher davon aus, dass vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer von der Globalisierung profitieren, fordern Experten nun ein Umdenken in der Handelspolitik. Die Auslagerung von Arbeitsplätzen und Produktion in Billiglohnländer führt zu einer größeren Schere zwischen Arm und Reich. Allerdings ist Globalisierung nicht grundsätzlich schlecht. Experten, wie Aart de Geus, Vorsitzender der Bertelsmann Stiftung fordern, dass die Staaten den Freihandel sogar ausweiten. Die Industrieländer sollen sich Produkten aus Entwicklungs- oder Schwellenländern stärker öffnen und dort mehr investieren.

Das Ziel der Experten: mehr Wachstum in Schwellen-und Entwicklungsländern, damit diese näher an die Industriestaaten heranrücken!

Doch wie sollen die Investitionen der Industrieländer nun genau aussehen? Mehr Entwicklungshilfe? Diese gibt es seit Jahrzehnten und der Nutzen ist eher umstritten. Und momentan schreien viele Staaten nach weniger Globalisierung und mehr Abschottung. Doch was bewirkt Wachstum in den einzelnen Ländern eigentlich? Welche Auswirkungen hat ein größeres BIP auf den einzelnen Bürger in den Schwellen- und Entwicklungsländern? Dieser Frage stellen sich Sebastian Vollmer und sein Forschungsteam in ihrer Studie. Dabei untersuchen sie den Zusammenhang zwischen Wachstum und Unterernährung bei Kindern bis 3 Jahren.

Eine Tasse Reis Foto: flickr CC/My Starving Children

 

Unterernährung trotz Wirtschaftswachstum

Laut UNICEF leiden weltweit 165 Millionen Kinder unter 5 Jahren an den Folgen von Mangelernährung. Jedes Jahr sterben davon 3,1 Millionen Kinder.

Das Forscherteam um Sebastian Vollmer ging dabei vom BIP und 121 Gesundheitsumfragen aus 36 Ländern mit eher niedrigem und mittlerem Einkommen aus. Sie versuchten herauszufinden, welche Vorteile Wirtschaftswachstum und ein steigendes BIP pro Kopf im Kampf gegen Unterernährung bringen kann. Das Resultat: Wachstum hat gar keinen Einfluss auf die Bekämpfung von Mangelernährung. Als Gründe nannten die Forscher, dass höhere Einkommen meist nicht in Lebensmittel investiert werden. Zudem sind die Güter oftmals falsch verteilt und kommen nicht den Armen zu Gute. Außerdem investieren Staaten häufig wenig in Gesundheitsprogramme oder Bildungspolitik.

Die Forscher sehen dies als Warnung an die Politiker an. Wachstum alleine bringt keinen direkten Nutzen für die ärmsten der Armen. Brot für die Welt, UNICEF oder die Welthungerhilfe setzen sich schon jahrelang mit den negativen Folgen von Mangelernährung insbesondere bei Kindern auseinander und haben auch Strategien entwickelt, um diese einzudämmen. Doch ohne die Beteiligung aller Staaten findet sich keine Lösung. Das Hauptproblem sieht Vollmer darin, dass Gelder falsch investiert und verteilt werden. Vor allem Gesundheit, wie Vorsorge, Aufklärung und Impfungen, sowie sauberes Trinkwasser sollten an erster Stelle stehen.

Die Studie besagt nicht, dass Wachstum grundsätzlich schlecht ist. Aber es geht darum wie es auch den Armen nutzt.

Wachstum allein ist nicht die Lösung

Beide Studien setzen sich mit Wirtschaftswachstum auseinander. Während die eine Studie mehr davon fordert, geht die zweite davon aus, dass Wachstum alleine nicht die Lösung ist.

Beide Ansätze fordern zielgerichtete Investitionen und ein Überdenken der weltweiten Handelspolitik. Wie das aussehen soll ist nicht klar. Mehr Entwicklungshilfe wird das System nicht ändern und hat sich nicht unbedingt immer als zielführend erwiesen.

Die Ergebnisse beider Studien können dazu dienen, eine wirkliche Veränderung der Situation zu bewirken. Ein Überdenken der Entwicklungshilfe und eine Wirtschaftspolitik, die nicht nur auf Wachstum um jeden Preis setzt, sollten darauf folgen.

 

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