Syngenta: Fiese Machenschaften der Agrarmafia!

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre: Was es sich der Schweizer Konzern Syngenta im wahrsten Sinne des Wortes kosten ließ, um die Wahrheit über sein Pestizid Atrazin zu verschleiern, schlägt dem Fass den Boden aus. Der Agrarriese schreckte vor nichts zurück, um die weiße Weste seines „Vorzeigeherbizids“ zu bewahren, das seit mehr als 50 Jahren „das Rückgrat sicherer Unkrautkontrolle“ bilde.

Vor allem in den USA, ist Atrazin unter Landwirten als Pflanzenschutzmittel sehr beliebt. Drei Viertel aller Maispflanzen, aber auch Golfplätze und Weihnachtsbaumplantagen werden damit behandelt. Eine Reihe von Studien stellte jedoch gesundheitsschädliche Wirkungen von Atrazin auf Amphibien und Menschen fest.

 

Foto: Wikimedia commons/Lamiot

Vor diesem Hintergrund reichte das Holiday Shores Sanitary District im Jahr 2004 Klage gegen Syngenta ein. Ursprünglicher Gegenstand: die Reinigung mit Atrazin kontaminierter Gewässer in Edwardsville, III., nordöstlich von St. Louis. Im Laufe der folgenden acht Jahre kamen über 1.000 Wassergebiete, verteilt über sechs US-Bundesstaaten, hinzu. 2012 erklärte sich Syngenta zwar nicht schuldig, jedoch dazu bereit, 105 Millionen US-Dollar für die Behebung der Schäden zu bezahlen.

 

Selbst ans Messer geliefert

 

„Tragischer“ Nebeneffekt für die Firma: Mit den im Zuge des Prozesses vom Gericht angeforderten Papieren gerieten auch die verräterischen Dokumente des Skandals „in die falschen Hände“. Nachdem die Organisation 100 Reporters in einem Freedom of Information Act deren Einsicht gefordert hatte, hat sich der Konzern nun ironischerweise vor den Augen der ganzen Welt selbst ans Messer geliefert.

100Reporters enthüllte die Ereignisse wie folgt: Das Unternehmen befürchtete mit der Klage von Anfang an finanzielle Verluste oder gar ein Verkaufsverbot von Atrazin. Doch anstatt mit seriösen Argumenten dagegen anzugehen, setzte die Firma eine Maschinerie in Gang, die eher an die Mafia als ein renommiertes Unternehmen erinnert.

 

Foto: Wikimedia commons/Michael Trolove

Mit einer haarsträubenden Mischung aus Erpressung und Rufmord ging Syngenta gegen den renommiertesten wissenschaftlichen Gegner des Herbizids, Tyrone Hayes, vor. Dessen erste Studie war 1997 von Novartis Agribusiness, einer der beiden Syngenta-Vorläuferfirmen, gefördert worden. Ihr Ergebnis: Atrazin wandelt männliche in weibliche Frösche um. Nach Hayes‘ Aussage verbot ihm die Firma, diese Ergebnisse zu veröffentlichen, da sie „nicht ins Konzept passten“. Als Hayes keinen Pfifferling auf diese Forderungen gab und sich nach anderen Financiers umsah, war der Krieg eröffnet.

 

Ausspitzelung von EPA-Mitgliedern

 

Syngenta schreckte nicht einmal davor zurück, ein psychologisches Gutachten des Forschers anzufordern. Heute verdächtigt Hayes den Agrarriesen, seine Forschungen sabotiert zu haben und erklärt, er und seine Familie seien verbal bedroht worden. Sherry Duvall Ford, Syngentas damalige Pressesprecherin, bezog sich in ihren Notizen während eines Syngenta-Treffens 2005 auf Hayes als „paranoiden Schizophrenen“. Vorgeschlagene Mittel, ihn zur „Raison“ zu bringen: ihm Forschungsgelder streichen oder seiner Frau auf den Zahn fühlen.

Doch Hayes ist nur die Spitze des Eisbergs der Syngenta-Kampagne. Der Wissenschaftler Don Coursey an der University of California erhielt Zahlungen in Höhe von 500 US-Dollar PRO STUNDE für die erfolgreiche Bewerbung von Atrazin. Wie aus einem E-Mail-Schriftverkehr vom April 2006 hervorging, wurde Coursey vorab mit den „richtigen“ Daten gefüttert und seine Arbeit „korrekturgelesen“. Die Investition lohnte sich: Bei der Vorstellung von Coursey’s Studien im National Press Club 2010 griffen die Medien seine Ergebnisse als „unabhängige Expertenmeinung“ auf.

 

Foto: Wikimedia commons/KENPEI

Des Weiteren bezahlte der Konzern ein Detektivbüro, um Mitglieder der Environmental Protection Agency (EPA) auszuspitzeln. Und er versuchte einen Richter am Madison County Circuit Court zu verunglimpfen. Zu ihm notierte Ford: „Nicht zur Arbeit erscheinen. Verkehr auf Dating-Websites. Foto, auf dem er ein Kleid trägt.“ Dumm nur, dass es sich letztlich gar nicht um den verantwortlichen Richter im Syngenta-Prozess handelte.

 

Keiner Schuld bewusst

 

Tief blicken lässt auch ein Kommentar zu einem 2006 im Belleville News Democrat erschienen Pro-Atrazin-Artikel. Das mit Syngenta verbandelte Unternehmen Jayne Thompson & Associates äußerte: „Das Beste daran ist, niemand würde darauf kommen, dass diese Nachrichten von Syngenta und nicht von einem unabhängigen Experten stammen.“

Syngenta selbst ist sich offensichtlich keiner Schuld bewusst: „Wir orientieren uns bezüglich Atrazin an wissenschaftlichen Fakten. Hayes konnte in weiteren Studien seine eigenen Ergebnisse nicht bestätigen.“ Kein Wort zu anderen Studien, die ebenfalls die schädigende Wirkung von Atrazin auf die Sexualentwicklung anderer Amphibien feststellten.

Unglücklicherweise enthüllt Ford in einem weiteren Dokument die wahren Absichten des Konzerns: „Wenn Hayes in einen Skandal verwickelt ist, werden die ‚Ökos‘ ihn fallen lassen. Wir können verhindern, dass seine Daten zitiert werden, indem wir ihn als unglaubwürdig entlarven.“ Das ist deutlich. Und wenn Hayes wirklich Unrecht hat, und an der Umweltschädlichkeit von Atrizin überhaupt nichts dran ist? Welchen Grund hätte Syngenta dann, solch mafiöse Geschütze aufzufahren???

 

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