Gabriels Nein zu TTIP ist billig
Sigmar Gabriel will die Stimmen der SPD-Basis retten, nicht den deutschen Verbraucher. Sein Nein zu TTIP ist fadenscheinig – und arrogant. Denn nicht Gabriel verhandelt über TTIP, sondern die EU-Kommission. De facto ist noch gar nichts gescheitert.
Sigmar Gabriel wollte die Botschaft unbedingt unters Volk bringen. Obwohl er in einem Interview mit dem ZDF am Sonntag gar nicht nach TTIP gefragt worden war, sagte er: „TTIP ist de facto gescheitert.“ Der deutsche Wirtschaftsminister will mit einem Handstreich eine Verhandlung für beendet erklären, an der auch 27 andere EU-Länder beteiligt sind. Das ist zunächst ziemlich arrogant. Aber es zeigt vor allem seine große Not mit den Freihandelsabkommen.
Im Interview sollte Gabriel eigentlich erklären, wie die SPD zu Ceta steht, dem Handelsabkommen mit Kanada. Das Abkommen ist fertig verhandelt, Deutschland hat in der EU seine Zustimmung versprochen. Jetzt droht die SPD auf dem Parteikonvent im September mit einem Beschluss gegen das Kanada-Abkommen. Für den deutschen Wirtschaftsminister wäre es höchst peinlich, wenn er sich aufgrund eines Parteibeschlusses am Ende gegen Ceta stellen müsste. Umgekehrt wäre seine Zeit als SPD-Vorsitzender gezählt, würde er Ceta gegen den Willen der Parteibasis durchboxen. Dafür opfert er jetzt scheinbar das TTIP-Abkommen. Er will damit die SPD-Basis für die Ceta-Entscheidung gnädig stimmen.
Gabriel drückt sich
Gabriels Begründung gegen TTIP ist fadenscheinig. Nach 14 Verhandlungsrunden bewege sich nichts, man wolle sich nicht den amerikanischen Bedingungen unterwerfen, sagt Gabriel. Dass die Verhandlungen zäh sind, weiß Gabriel seit Langem. Die Verhandler haben die EU-Staatschefs im Juli ermahnt, dass die großen Konflikte nur auf politischer Ebene ausgeräumt werden können. Gabriel lässt dies mit seiner Aussage aber erst gar nicht zu. Die EU-Handelsminister treffen sich Ende September. Dort sollten eigentlich die Weichen gestellt werden. Gabriel wollte nicht warten, wollte nicht die harte politische Arbeit machen. Er drückt sich.
Das Nein zu TTIP geht allein an die SPD-Basis. Je größer Gabriel den Unterschied zwischen Ceta und TTIP macht, desto eher hofft er darauf, dass die Genossen ihm bei Ceta folgen werden. Ceta, so Gabriel, sei mit einer sozialliberalen kanadischen Regierung verhandelt worden. Kein Grund zur Sorge also. TTIP sei anders, da wollten die USA keine Kompromisse, sagt Gabriel. Das ist populistisch.
De facto ist mit Gabriels Aussage noch nichts gescheitert. Denn nicht die SPD verhandelt über TTIP, sondern die EU-Kommission im Namen der Bundesregierung und 27 weiterer EU-Staaten. Nur die EU-Kommission kann die Verhandlungen offiziell beenden. Gabriel legt es mit diesem Satz deshalb sogar auf ein Scheitern der großen Koalition an. Denn er stellt sich mit seiner Aussage gegen die Politik der Bundeskanzlerin, die zu TTIP zwar kaum etwas sagt, es aber immer unterstützt.
Ein stillschweigender Plan?
Wenn der Wirtschaftsminister nun offiziell die Regierungslinie verlässt, müsste ihn die Kanzlerin eigentlich entlassen. Oder ist sein Spiel gar nicht so riskant? Gibt es vielleicht einen stillschweigenden Plan? Gabriel prescht in der EU mit seiner Ablehnung vor, hinter der sich die Kanzlerin nun gemeinsam mit der ebenso skeptischen französischen Regierung verstecken kann.
Ein Sieg der Kritiker ist das vorläufige TTIP-Nein Gabriels jedenfalls nicht. Die Kritiker wollen beide großen Verträge verhindern, TTIP und Ceta. Sie wollen die Struktur von internationalen Handelsverträgen verändern. Gabriel dagegen will vor allem seinen Kopf retten.
Justus von Daniels
Den Text veröffentlichte der Autor zunächst in CORRECT!V. Zusammen mit Marta Orosz recherchiert er langfristig zu den internationalen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta. Nun erschien der Beitrag in Presenza. Wir veröffentlichen ihn mit Genehmigung unseres Medienpartners.