Atomausstieg: AKW abschalten reicht nicht
Sind Atomkraftwerke ausreichend gegen Terroranschläge aus der Luft geschützt? Die Frage ist nicht neu. Max Tobler, ehemaliger Swiss-Air-Pilot sieht Mängel bei den Sicherheitsvorkehrungen des Atomkraftwerks Mühleberg bei Bern, wie der Züricher Tagesanzeiger berichtet. Auch in Deutschland brodelt die Atomdebatte.
Tobler, der heute als Flugsimulator-Instruktor arbeitet, stellte eine Frage an die Schweizer Atomaufsichtsbehörde ENSI. Er wollte wissen, wie viel Radioaktivität entweicht, wenn ein schweres Flugzeug, wie zum Beispiel ein Airbus mit einer Geschwindigkeit von 770 km/h in das Reaktorgebäudes des AKW Mühleberg kracht. Das ENSI wies darauf hin, dass Detailangaben vertraulich seien und stützte seine Antwort deshalb auf bereits veröffentlichte, frei zugängliche Informationen. Den letzten Bericht zur Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke bei einem vorsätzlichen Flugzeugabsturz veröffentlichte das ENSI im Jahr 2003. Als Referenzflugzeug galt eine Boeing 707. Der Airbus 380 hat das fünffache Gewicht. Doch das ENSI betonte, dass die Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung bei einem vorsätzlichen Flugzeugabsturz wenig wahrscheinlich sei. Tobler warf dem ENSI vor, die Mängel der Reaktoren verbergen zu wollen.
Endlager-Kommission noch nicht im Dienst
In Deutschland steht momentan ein anderer Aspekt der Atomdebatte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Frage nach dem Atommüll-Endlager ist noch immer nicht gelöst. Am Freitag und Samstag veranstalten Umweltverbände und Anti-AKW-Gruppen einen atompolitischen Kongress in Berlin, auf dem sie über ihre Beteiligung an der Expertenkommission beraten wollen, die die neue Suche nach einem Endlager vorbereiten soll, berichtet die Frankfurter Rundschau.
Die Einsetzung der Kommission wurde schon vor einem Jahr beschlossen. Da sich Bund und Länder nicht über den Vorsitz einigen konnten, hat das Gremium seine Arbeit noch nicht aufgenommen. Die Einsetzung der Kommission sollen Bundestag und Bundesrat in der zweiten Aprilwoche beschließen. Wenn das klappt, wird das Gremium sich danach der Endlagersuche zuwenden. Kein leichtes Unterfangen, wie Zeit-Redakteur Frank Drieschner erklärt. „Das Endlagerproblem muss per Definition mit unerprobter Technik gelöst werden“, erläutert er. Ausprobieren und aus Fehlern lernen kann man sich bei anderen Technologien leisten, bei der Lagerung von Atommüll nicht. Außerdem haben wir in Deutschland im Gegensatz zu Ländern wie den Niederlanden oder der Schweiz verschiedene Möglichkeiten, Atommüll zu lagern. Es gibt sowohl Salz- als auch Tonvorkommen. „Wir haben ein Auswahlproblem“, sagt Drieschner. „ In Deutschland muss man den Bürgern, wenn Atommüll irgendwo hinkommt, wasserdicht beweisen, dass ihr Platz der allerbeste ist.“
Atomspezialisten auch in Zukunft dringend gebraucht
Doch die Frage nach dem Atommüll-Endlager für den hoch aktiven Abfall ist nicht das einzige Problem. Auch für die viel größere Menge schwach- und mittelaktiven Atommülls gibt es keine gesicherte Entsorgung, teilt die zeit-online mit Bezug auf ein internes Papier des von dem Grünen Franz Untersteller geführten Stuttgarter Umweltministeriums mit. Das für den Schacht Konrad genehmigte Volumen reiche, wenn überhaupt, nur knapp aus, um die insgesamt prognostizierten schwach- und mittelradioaktiven Abfallmengen aufzunehmen. Ein weiteres Problem ist, dass immer weniger junge Menschen ihre Zukunft in der Atomindustrie sehen und entsprechende Studiengänge belegen. Mit einem kompletten Ausstieg aus der Atomenergie, wäre das Thema aber nicht abgeschlossen. Denn für die Abschaltung und den erfolgreichen Rückbau der Atomkraftwerke wird man noch jahrzehntelang Spezialisten in diesem Bereich brauchen.
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