Eckart Witzigmann: "Das Produkt ist der Star"

Eckart Witzigmann, der "Koch des Jahrhunderts", zeichnet mit seinem internationalen Preis "ECKART" in den Kategorien „Große Koch-Kunst“, „Innovation“ und „Lebenskultur“ seit 2004 herausragende Persönlichkeiten aus. Alle erwarben sich um Kochkunst, Essen oder Kreativität ihre Verdienste. Seit 2013 vergibt der Starkoch in Zusammenarbeit mit dem Autobauer BMW auch ein Preisgeld mit der Auszeichnung. Jetzt hat er seinen französischen Kollegen Joël Robuchon (aus dem Pariser "Atelier Robuchon") als Vorsitzenden der Jury des Eckart berufen. Der Award soll damit noch internationaler auftreten und ab 2018 erstmals über Europa hinaus wirken.

Mit global° sprach Eckart Witzigmann über den Stellenwert von Nachhaltigkeit in der Küche und darüber, was gute Köche auszeichnet.

Eckart Witzigmann Foto: ThomasEffinger

Ihre Leidenschaft gilt gutem Essen. Beste Zutaten und Ihre Kochkunst sind dafür Voraussetzung. Was hat das Thema Nachhaltigkeit damit zu tun?

Eckart Witzigmann: Ich habe mich mit dem Thema Nachhaltigkeit bereits beschäftigt, als dieser Begriff noch gar nicht konkret zugeordnet werden konnte...

Wann?

Zu Beginn der siebziger Jahre haben wir den Großteil unserer Produkte noch vom Pariser Großmarkt kommen lassen oder sie selbst geholt. Und bereits damals habe ich mir Gedanken gemacht und versucht, Produkte gleicher Qualität im Großraum München zu finden.

Mit welchem Erfolg?

Das war - sehr höflich gesagt - ein langer, steiniger und sehr schwieriger Weg.

Den oft zitierten Bärlauch habe ich noch zufällig beim Spazierengehen mit meinem Hund in den Isarauen gefunden, bei Fisch und Fleisch war das schon wesentlich komplexer. Aber im Laufe der Jahre habe ich engagierte und ehrgeizige Produzenten gefunden, und zusammen haben wir die Qualität der Produkte stetig gesteigert. Ich kann an dieser Stelle nur immer wieder das gleiche sagen: Es ist ein Frevel, Papageien-Fische aus dem Pazifik und Mineralwasser von den Fidschi-Inseln auf die Karten der Restaurants zu setzen, wenn vor unserer Haustüre Flußkrebse und Saiblinge in den Gewässern schwimmen oder Mineralwasser bester Qualität aus dem Boden sprudelt.

Sich gesund zu ernähren, beginnt, wo und wie Lebensmittel produziert und verarbeitet werden.

Wie reagieren Sie, wenn Sie hören, wieviel Zutaten in Küchen oder Reste nach einer Mahlzeit im Müll landen?

Ich persönlich fühle mich da nur ganz am Rande angesprochen, weil ich von jeher darauf geachtet habe, das ganze Stück vom jeweiligen Produkt zu verarbeiten und nicht nur das Filet.

 

Eckart Witzigmann Foto: Helge Kirchberger

Das nennen moderne Köche wohl "nose to tail"...

Das heute als bahnbrechend neu bejubelte "Nose to tail"-Konzept ist im Grunde ein alter Hut. Das haben wir bereits in den siebziger Jahren so gemacht. Damals haben die Küchenbesatzungen schon in der Lehrzeit (1957) gelernt, ein ganzes Tier sinnstiftend zu verarbeiten und möglichst wenig in den Abfall zu werfen. Das ist leider bei der Ausbildung etwas aus der Mode gekommen. Heute wird am liebsten verarbeitet, was am teuersten zu verkaufen und am leichtesten zu verarbeiten ist. Und damit produziere ich logischerweise mehr für den Müll.

Oft landen auch viel Speisereste im Müll, weil der Gast sie nicht aufisst.

Für die Küche ist es ein Drama, wenn die Gäste ausbleiben, das frische Produkt aber auf Vorrat liegt. Da landen dann häufig viele ehemals tollen Produkte im Müll.

Wie ist dem vorzubeugen?

Ich kann da nur eine allumfassende Verarbeitung der Lebensmittel empfehlen. Zugleich sollten wir bei den Verpackungen neue Wege beschreiten. 11 Millionen Tonnen Speisereste, die in Deutschland jährlich im Müll landen, sind Grund genug, sich darüber Gedanken zu machen. Alle reden von Nachhaltigkeit, aber bei diesem Thema wird sie von den allerwenigsten praktiziert.

Was machen Sie konkret dagegen?

Das kann eigentlich nur zwei Gründe haben. Entweder waren die Portionen zu groß oder dem Gast hat es nicht geschmeckt. Beide Gründe führen letztlich in die Mülltonne, schrecklich genug, wenn dabei Abfall entsteht und hochwertige Lebensmittel weggeschmissen werden.

 

Foto: Witzigmann Academy

Muss ein Sternekoch frische Zutaten verkochen oder kann er auch "ältere" in seiner Küche verwerten - und schmecken Ihre Gäste Unterschiede?

Man sollte Gäste immer ernst nehmen und das beginnt damit, ihnen keine alten Lebensmittel aufzutischen. Es geht auch nicht darum, ob der Gast das erkennt. Es geht darum, dass man so etwas grundsätzlich nicht macht. Das ist ein absolutes No Go.

Wie stehen Sie zu so genanntem "Schrumpelgmüse oder -obst"?

In einem Drei-Sterne-Restaurant erwartet der Gast das absolut perfekte Produkt. Dazu gehört nun einmal auch das makellose Aussehen. Zuhause arbeite ich gerne mit den Produkten außerhalb der optischen Norm, die stehen geschmacklich den bildhübschen in nichts nach - ganz im Gegenteil!

Kochen erlebt derzeit einen Hype - wertet das Kochkunst auf oder vielleicht doch eher ab, weil viele sich "Köche" nennen, ohne Bescheid zu wissen, welche Philosophie dazu gehört?

Na ja, es scheint, Deutschland kocht über. Ich glaube der ganze Hype um das Thema Kochen ist sehr vordergründig und wenig tiefgründig. De facto darf jeder sich Koch nennen, der einen Herd einschalten kann. Und jeder der ein Fertiggericht erwärmen kann, fühlt sich dann berufen über Geschmack zu philosophieren. Da kann man nur noch Herrn Schopenhauer zitieren: Jede Aufregung endet immer wieder in der Abregung.

Ist Ihre Kooperation mit BMW mehr als ein Marketing-Gag?

Natürlich zielen solche Aktivitäten auf Publizität. Aber verkauft das Unternehmen durch unsere Zusammenarbeit auch nur ein Auto mehr? Sicher nicht.

Welchen Sinn sehen sie dann darin?

Unternehmen von heute müssen sich verändern, wenn sie überleben wollen. Dabei spielt Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle. Hier stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn nur die Produkte lokal nachhaltig sind, reicht das nicht. Auch die Produktion muss nachhaltig sein. BMW hat das mit dem i-Projekt gezeigt.

Aber das Thema ist größer und betrifft zum Beispiel auch die Mitarbeiter und deren Gesundheit. Unser Engagement (mit meinem Partner Otto Geisel) hat BMW dazu inspiriert, die Betriebsgastronomie in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern. Bei über 100.000 Mitarbeitern ist das eine Herkulesaufgabe. Aber der Prozess ist begonnen und wir konnten dazu ein Stück beitragen.

Sind Eckart-Preisträger Botschafter und wofür?

Das Produkt ist der Star. Das genau verbindet mich übrigens mit unserem Partner. Die Preisträger stehen dafür. Die Witzigmann Academy ehrt Menschen, die das leben. Das sind natürlich Spitzenköche, aber auch Produzenten, Märkte, Forscher und Künstler. Gutes Essen und ein geschulter Blick auf die Produkte, deren Produktion und Vertrieb: Dafür stehen der ECKART und seine Preisträger.

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