Das Peace-Zeichen wird 60 Jahre alt
"Make Love, Not War!": Das Peace-Zeichen wird 60 Jahre alt. Für den ersten Ostermarsch der Geschichte kreierte der Grafiker Gerald Holtom das Zeichen, das heute jedes Kind kennt. Am Karfreitag 1958 war es zum ersten Mal öffentlich zu sehen, als sich rund 10.000 Demonstranten von London aus zur Atomwaffenfabrik in Aldermaston aufmachten, um gegen die atomare Aufrüstung Großbritanniens zu protestieren.
Die "Campaign for Nuclear Disarmament" (Kampagne für nukleare Abrüstung) plante Großes: den ersten Ostermarsch der Geschichte. Tausende Kernkraftgegner würden sich auf den Weg vom Londoner Trafalgar Square zur rund 80 Kilometer entfernten Atomwaffenfabrik in Aldermaston machen. Sechs Jahre zuvor war Großbritannien nach den USA und der Sowjetunion zur dritten Atommacht aufgestiegen und hatte mittlerweile erfolgreich eine Wasserstoffbombe getestet. Die Anti-Atomkraft-Bewegung in Großbritannien wuchs und auch einen Slogan hatte man bereits: "Ban the Bomb" (verbietet die Bombe). Nur eines fehlte noch: ein einheitliches visuelles Markenzeichen mit großem Wiedererkennungswert, ein starkes Symbol, das ihre Botschaft in die Welt hinaustragen sollte.
Das wollte Kampagnenleiter Bertrand Russel, Philosoph und Literaturnobelpreisträger, ändern. Er beauftragte den britischen Grafiker Gerald Holtom, einen Absolventen des Londoner Royal College of Arts, mit einem Symbolentwurf. Der präsentierte ihm am 21. Februar 1958 das Ergebnis seiner Arbeit: einen Kreis, in dessen Mitte eine gerade Linie verläuft, von der wiederum zwei Linien rechts und links nach unten abfallen und mit der unteren Hälfte des Kreises abschließen. Es war die Geburtsstunde des Peace-Zeichens. Auf dem Ostermarsch war es erstmals öffentlich zu sehen, die Demonstranten trugen etwa 500 Schilder mit dem damals noch unbekannten Zeichen. Es sollte sich in den folgenden Jahrzehnten als universales Symbol für Pazifisten, Atomkraftgegner, Naturschützer und Bürgerrechtler etablieren.
Friedenssymbol mit militärischem Ursprung
Seine ursprüngliche Bedeutung kennen allerdings nur wenige. Während des Zweiten Weltkriegs hatte der Kriegsdienstverweigerer Holtom auf einer Farm an der Küste von Norfolk gearbeitet und dort das Marine-Flaggenalphabet, auch Winkeralphabet genannt, erlernt. Diese Zeichensprache nutzte er als Basis für seinen Auftrag.
In seinem neu geschaffenen Symbol stehen die zwei Diagonalen für den Buchstaben "N", da der Winker hier beide Flaggen nach unten hängend vom Körper wegstreckt. Der gerade Strich in der Mitte für den Buchstaben "D", da der Winker eine Flagge in einer Linie mit seinem Körper in die Höhe streckt während die andere eng am Körper anliegt. Die Buchstabenkombination "ND" steht für "Nuclear Disarmament", also nukleare Abrüstung. Der Kreis um die Linien symbolisiert die Welt.
Holtoms Zeichen hat also eine klare Botschaft und ist nicht nur eine zufällig arrangierte geometrische Form. Die Kernwaffengegner griffen das neue Symbol trotz des militärischen Hintergrunds dankbar auf.
Ein Zeichen erobert die Welt
Von London aus verbreitete sich das neue Friedenszeichen über den gesamten Globus. Ein Anhänger Martin Luther Kings, der dem englischen Ostermarsch beigewohnt hatte, brachte das Peace-Zeichen in die USA, wo es sich als Symbol der Bürgerrechtsbewegung etablierte. Einige Jahre später nutzten es die Hippies, die gegen den Vietnamkrieg protestierten. Sogar einige US-Soldaten trugen das Zeichen symbolträchtig auf ihren Helmen.
Gegner des südafrikanischen Apartheid-Regimes malten das Zeichen genauso auf ihre Transparente wie die Hunderttausenden von Demonstranten, die 1983 in Bonn und anderen Städten der Bundesrepublik gegen den NATO-Doppelbeschluss protestierten. Zwanzig Jahre später, nach dem Einmarsch der USA in den Irak, hatte das Zeichen wieder Hochkonjunktur.
Kommerzialisierung des Friedens
Doch wie konnte der Kreis mit dem "Krähenfuß" überhaupt so erfolgreich werden und sich bis heute als das Friedenssymbol schlechthin behaupten? Einer der Gründe liegt auf der Hand: Phänomene wie Krieg und soziale Ungerechtigkeit sind ebenso zeitlos wie der Protest dagegen. Zudem ist Holtoms Zeichen rein künstlerisch gesehen äußerst simpel. Jeder der es einmal gesehen hat, kann sich seine unkomplizierte Struktur einprägen und es problemlos nachzeichnen und verwenden.
Entscheidend dafür war, dass Holtom sich seine Kreation bewusst nicht urheberrechtlich schützen ließ. Er begründete diese Entscheidung damit, dass es ein Symbol für Frieden und Freiheit darstelle und dementsprechend auch für alle frei nutzbar sein solle.
Dass man diesen Umstand kommerziell ausschlachten kann, haben Unternehmer längst verstanden. Das Friedenssymbol ziert regelmäßig die T-Shirts, Taschen oder Mützen mehr oder weniger exklusiver Modeketten. Ob im Blumenmuster, in Regenbogenfarben mit Strasssteinchen besetzt, der Phantasie sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Dabei droht die Bedeutungskraft des Symbols zu verblassen - jedoch nur bis zu seinem nächsten Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, irgendwo auf der Welt.
Dieser Text stammt aus unserer Medien-Kooperation mit Pressenza. Das Original ist ein Beitrag der Deutschern Welle.Sie finden ihn hier.